§ Kommentar
Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung
Zu dem Entwurf der Änderungen des BauGB vom Juni 2025
6. Juli 2025
Das Bundeskabinett hat am 18.06.2025 den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung beschlossen.
§ 31 Abs. 3 BauGB-E ermöglicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans Wohnbebauung auch über die Vorgaben des Plans hinaus. Die Aufhebung der Beschränkung auf Einzelfälle und die weitreichende Verallgemeinerung auf ganze Straßenzüge kann eine quartiersweise Aufstockung und Nachverdichtung ermöglichen. Dass die Grundzüge der Planung keine Grenze darstellen, kann sich sowohl als praxisfreundlich als auch als planschädlich erweisen. Denn die Beantwortung der Frage, wann Grundzüge der Planung betroffen sind, ist in der Praxis häufig kompliziert. Wenn nunmehr der Grundgedanke einer Planung nicht mehr erkennbar wird, stellt sich die Frage, ob ein Bebauungsplan aufgrund der (Vielzahl möglicher) Abweichung(en) sogar funktionslos werden kann. Ein Bebauungsplan nach § 13a BauGB bleibt dann wohl eher das geeignete Mittel der Wahl. Ein klarer Anwendungsrahmen, z. B. über praxisnahe Fallbeispiele oder Exemplarsätze, könnte helfen, administrative Unsicherheiten zu reduzieren. Inwieweit der Verzicht auf die Vorgabe, dass der Gemeinde ein angespannter Wohnungsmarkt attestiert sein muss, tatsächlich einen erkennbaren Beitrag zur Wohnraumschaffung leisten wird, bleibt eher verhalten abzuwarten.
Wie auch die Regelung in § 31 Abs. 3 BauGB-E ist § 34 Abs. 3a BauGB‑E als Beschleunigung durch Planverzicht zu charakterisieren. Dass die Abweichung „nur“ städtebaulich vertretbar und unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar sein muss, setzt entsprechenden Vorhaben eher niedrige rechtliche Schranken. Denn was Gemeinden für städtebaulich vertretbar halten, bestimmen sie in der Regel selbst. Der Verweis auf die Vereinbarkeit mit nachbarlichen Interessen lässt schon erahnen, dass es hier zu intensiven Konflikten mit den Nachbarn kommen kann. Genau an dieser Stelle kann nur dringend dazu geraten werden, von § 36a Abs. 2 BauGB-E Gebrauch zu machen. Demzufolge kann die Gemeinde der betroffenen Öffentlichkeit vor der Entscheidung über die Zustimmung Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Gleiches trifft auf die Anwendung von § 31 Abs. 3 BauGB-E zu. Eine Einrahmung möglicher Abweichungen durch städtebauliche Standards und transparente Kriterien – beispielsweise über § 36a‑Fristen und befristete Zustimmung – würde mehr Sicherheit schaffen.
Mit dem neuen § 246e BauGB-E soll der Wohnungsbau torbuhaft gefördert werden. Anwendungsbereich ist die Errichtung Wohnzwecken dienender Gebäude sowie die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung zulässigerweise errichteter Gebäude, wenn hierdurch neue Wohnungen geschaffen oder vorhandener Wohnraum wieder nutzbar wird sowie die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung. Auch den Bewohnern dienende Anlagen für soziale und kulturelle Zwecke sollen damit zugelassen werden können. Mit dem Bauturbo kann von fast allen Vorschriften des BauGB und der BauNVO abgewichen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Solche können z. B. Festsetzungen in einem Bebauungsplan sein, der eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 8 BauGB für Personen mit besonderen Wohnbedürfnissen enthält. Denkbar ist auch eine an bestehende Infrastruktur und Betriebe, deren Entwicklungsbedarf zu beachten ist, heranrückende Wohnbebauung. Die Abweichung muss verhältnismäßig sein und die Zustimmung der Gemeinde ist erforderlich. Die Sicherung einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung ist im Wege der Vorhabenzulassung nicht Gegenstand der Prüfung und daher auch nicht zu erwarten. Der Eingriff in die kommunale Planungshoheit muss also verhältnismäßig sein, ungeachtet der Zustimmungspflicht der Gemeinde. Negative städtebauliche Auswirkungen durch städtebaulich fehlgeplante Vorhaben, gerade auch an der Grenze zum Außenbereich, erscheinen dennoch möglich. Für den Bauturbo spricht hingegen, dass nunmehr temporär eine echte „Experimentierklausel“ eingeführt werden soll – die vielfach zitierten modularen, seriellen Bauweisen können ggf. schneller entstehen. Eine begleitende Evaluierung könnte zeigen, inwieweit serielle Bauformen (z. B. Modul-Bau) überhaupt standardisiert eingesetzt werden und zu einer Preisminderung führen – und so eine langfristige Erweiterung rechtfertigen.
Unter besonderer Fokussierung auf §§ 31 Abs. 3 S. 2, 34 Abs. 3a und 246e BauGB-E sollte also hervorgehoben werden, dass der Entwurf neue Spielräume für verdichtetes und beschleunigtes Wohnen eröffnet und damit Kommunen von Planungshemmnissen entlasten kann. Der Einwand, dass damit die Baugenehmigungsbehörden stärker als ohnehin schon belastet werden, ist wohl richtig. Aber diesen Preis für einen Verzicht auf teils langwierige Planverfahren (auch „Briefmarkenpläne“) zu zahlen, erscheint nachvollziehbar. Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass die Konzentration auf Nachverdichtung (§ 31, § 34) in Verbindung mit dem Bau‑Turbo (§ 246e) zu mehr bezahlbaren Wohnungen führen kann. Damit die beschleunigten Verfahren bundesweit wirken und investitionssicher bleiben, ist eine Evaluierung der Sonderklausel nach § 246e dringend geboten. Auch benötigt es klarer, praxisnaher Kriterien zur Befreiung nach § 31 und definierter Standards für das Abweichen im Innenbereich nach § 34 BauGB. Zwar bleiben die kommunalen Steuerungsinstrumente der Bauleitplanung erhalten – die Sicherung einer qualitätvollen städtebaulichen Entwicklung kann aber nurmehr im Wege der Zustimmungspflicht (§ 36a BauGB-E) erfolgen. Dies erfordert ein Zusammenwirken von Baugenehmigungs- und Stadtplanungsbehörde und damit unter Umständen eine neue Kompetenzordnung in Gemeinde und Verwaltung.
Quelle:
Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung (Online: https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/ge-bauturbo/bauturbo.html?nn=42896, zuletzt abgerufen am 06.07.2025).